Coming-Out am Arbeitsplatz – Wie Führungskräfte ihre Mitarbeiter:innen stärken können
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie sind Führungskraft in einem Unternehmen. Ein langjähriger Mitarbeiter kommt zu Ihnen und sagt: „Ich bin eigentlich eine Frau, ich bin trans…“ Vielleicht kommen Ihnen dann folgende Gedanken: Warum erzählt die Person mir das? Was bedeutet das für mein Unternehmen? Und wie gehe ich jetzt und in Zukunft mit der Situation um?
Ein Coming-out (→ siehe Infobox) kann vor allem für die Person selbst und auch für ihr Umfeld herausfordernd sein. Doch gerade für queere Menschen kann das Coming-out ein wichtiger Schritt sein, so leben zu können und akzeptiert zu werden, wie man es eben möchte. Neben dem Coming-out als Transperson gibt es auch Menschen, denen es wichtig ist, sich z.B. als schwul oder lesbisch zu outen. Queer (→ siehe Infobox) zu sein bedeutet im übertragenen Sinne, nicht der gesellschaftlichen „Norm” zu entsprechen, wie man sie vor allem durch Sozialisation in Schule, Erziehung und Gesellschaft „gewohnt” ist. In unserem fiktiven Szenario möchte die Person entsprechend ihrer Geschlechtsidentität (→ siehe Infobox) als Frau leben, was bis heute von vielen Menschen in Deutschland als Verstoß gegen die Norm der Unveränderlichkeit des Geschlechts gewertet wird. Davon ist auch meist das Arbeitsumfeld betroffen. Aber nicht jede Transperson ist gleich, deshalb ist eine gute Kommunikation der Schlüssel zu einem sensiblen Umgang mit Mitarbeiter:innen nach ihrem Coming-out: Was braucht die Person? Was wünscht sie sich vom Unternehmen?
Infobox
Coming-out bezeichnet den Prozess, bei dem sich eine Person selbst über ihre sexuelle, romantische oder Geschlechtsidentität bewusst wird (inneres Coming-out) und diese nach außen hin kommuniziert (äußeres Coming-out).
Queer wird oft als Überbegriff für und von Personen verwendet, deren sexuelle Orientierung oder deren Geschlecht nicht der gesellschaftlichen Norm ( z.B. heterosexuell) entspricht.
Geschlechtsidentität beschreibt das oder die Geschlechter, mit denen sich ein Mensch identifiziert. Das muss nicht dem Geschlecht entsprechen, welches bei der Geburt zugewiesen wurde.
Ist die sexuelle Orientierung nicht Privatsache?
Im ersten Moment könnte man annehmen, dass die Frage, ob man schwul, lesbisch oder trans ist, reine Privatsache ist. Dennoch bietet die sexuelle Orientierung immer noch viel Raum für Diskriminierung, vor allem im Arbeitskontext. Die European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) hat insgesamt 140.000 Personen, die sich selbst als lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich identifizieren, in mehreren europäischen Staaten zu ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität befragt. In Deutschland nahmen 16.000 Personen an der Umfrage teil. Fast ein Viertel (23%) aller befragten Personen berichteten von Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz und während der Arbeit aufgrund ihrer sexuellen Identität. (1) Die sexuelle Orientierung ist also nicht allein Privatsache, weil queere Personen auch am Arbeitsplatz Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren.
Was können Führungskräfte konkret tun?
Um queerfeindliche Diskriminierung und Ausgrenzung möglichst zu verhindern, können Führungskräfte in Unternehmen einiges tun. Als allererstes sollten Vorgesetzte ihren Mitarbeiter:innen in ihrem Coming-out Prozess unterstützend zur Seite stehen und auch in ihrem Unternehmen eine Basis für einen respektvollen Umgang schaffen. Eine inklusive Unternehmenskultur kommt nicht nur queeren Mitarbeiter:innen zugute, sondern schafft auch für die ganze Belegschaft eine kooperative Arbeitsatmosphäre und wirkt sich positiv auf das Employer Branding aus.
Was Führungskräfte für Ihre Mitarbeiter:innen tun können
Besonders wichtig ist es, sich genügend Zeit zu nehmen und Mitarbeiter:innen zuzuhören, um sie in ihrem Coming-out-Prozess zu unterstützen. Die Wünsche und Bedürfnisse von Mitarbeiter:innen unterscheiden sich je nach Person individuell, weshalb es kein Standardvorgehen gibt. Einige Grundsätze sollte man als Führungskraft allerdings beachten:
→ Respektvoller Umgang: Nur weil sich eine Mitarbeiter:in bei einer Führungskraft geoutet hat, bedeutet es nicht, dass sich diese auch automatisch ein Coming-out im ganzen Unternehmen wünscht. Ein respektvoller Umgang mit der Thematik, Diskretion und ein offenes Gespräch über das weitere Vorgehen sind dabei zentral.
→ Individuelle Unterstützung kann durch ein Mentoring oder durch begleitende Gespräche mit Führungskräften gewährleistet werden. Ob diese Art der Unterstützung gewünscht ist und wie sie ausfallen soll, kann durch offene Kommunikation mit den Mitarbeiter:innen individuell besprochen werden.
→ Netzwerkarbeit: Die Mitarbeiter:innen können sich durch den Austausch mit Kolleg:innen stärken, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Wenn im eigenen Unternehmen noch keine Netzwerke existieren, dann kann es sinnvoll sein, sich mit anderen Netzwerken in Verbindung zu setzen. In vielen großen Unternehmen gibt es bereits queere Netzwerke, die queere Menschen im eigenen Unternehmen unterstützen. Zu den Good-Practice-Beispielen zählen u.a. die globalen Player Würth und RWE.
Was Führungskräfte in ihrem Unternehmen tun können
Eine inklusive Unternehmenskultur ist die optimale Basis, um den Coming-out-Prozess von Mitarbeiter:innen im Unternehmen zu begleiten. Da allerdings nicht jedes Unternehmen so eine Unternehmenskultur aufweist, ist die Vision einer produktiven Wertschätzung von Inklusion, Vielfalt und Toleranz besonders wichtig. Diese Vision kann u.a. mit der Berücksichtigung folgender Aspekte erreicht werden:
→ Sensibilisierung: Führungskräfte können im Unternehmen als gutes Beispiel voran gehen und Inklusion authentisch vorleben, indem sie sich aktiv gegen Diskriminierung einsetzen und positionieren.
→ Offene Kommunikation: Wenn es die betroffene Person möchte, kann die Führungskraft das Coming Out offen im Unternehmen kommunizieren. Mitarbeiter:innen auch nach außen hin Rückhalt und Unterstützung in ihrem Coming Out Prozess am Arbeitsplatz zu geben, schafft Vertrauen und eine gute Basis für mehr Akzeptanz im Unternehmen.
→ Verweis auf Unternehmenswerte: Wenn in den Unternehmenswerten deutlich verankert ist, dass Diskriminierung nicht geduldet wird, hilft ein Verweis auf diese, sowie eine klare Positionierung der Führungsebene. Durch eine Zero-Tolerance-Politic bezüglich Diskriminierung, Ausgrenzung und Mobbing können Führungskräfte auch hier ein klares Zeichen setzen.
Fazit
Ein Coming-out ist ein Prozess, der für die betroffene Person, sowie für ihr Umfeld herausfordernd sein kann. Auch das Arbeitsumfeld ist von diesem Prozess betroffen. Führungskräfte können ihre Mitarbeiter:innen in diesem Prozess unterstützen, indem sie aufmerksam zuhören, respektvoll mit der Thematik umgehen, Diskretion wahren und queere Netzwerke fördern. Wenn es noch keine Netzwerke im Unternehmen gibt, können auch queere Netzwerke anderer Unternehmen hinzugezogen werden. Langfristig wirkt die Implementierung eigener Netzwerke und eine inklusive Unternehmenskultur gegen die Entstehung von diskriminierenden Vorurteilen. Im Unternehmen können Führungskräfte mit gutem Beispiel voran gehen, für die Thematik sensibilisieren und sich klar gegen Diskriminierung positionieren, damit queere Mitarbeiter:innen nach ihrem Coming-out motiviert und ohne Diskriminierung arbeiten können.
Sie wollen langfristig eine inklusive Unternehmenskultur aufbauen? Die Expert:innen der D² – Denkfabrik unterstützen Sie gerne bei diesem Prozess.
Quellen:
(1) A long way to go for LGBTI equality. (2020, 14. Mai). European Union Agency for Fundamental Rights. Abgerufen am 14. Mai 2024, von https://fra.europa.eu/en/news/2020/does-hope-or-fear-prevail-among-europes-lgbti-people