Diversity Marketing – 6 Dos & Don’ts
Unternehmerische Marken und das dazugehörige Marketing befinden sich aktuell in der Phase einer modernen Aufklärung. Haltung, Verantwortung und Empathie scheinen sich dabei zu einer erfolgsversprechenden Marketing-Formel der beginnenden 2020er Jahre entwickelt zu haben. Grundlage einer jeden Diversity Marketing-Strategie muss aber sein, dass der Bezug auf Diversität, Vielfalt und Verschiedenheit den Stakeholdern die entsprechende Sicherheit und Orientierung bietet. Trotz der weiter anhaltenden Reizüberflutung der analogen und digitalen Konsumwelten setzen sich im Marketing aktuell Bilder und Botschaften durch,
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- die den Zeitgeist emotional-psychologisch besonders gut treffen (Relevanzpotential)
- mit einem selbst persönlich resonieren (Identifikationspotential)
- und einer Person immer wieder begegnen (Mere-Exposure-Effekt, wonach wiederholte Konfrontation mit dem Fremden nach mehrmaligem Kontakt zu Vertrauen und Zuneigung führt).(1)
Sobald Marketeers diese drei erfolgsversprechenden Punkte bei ihren Strategien und Kampagnen berücksichtigen, befinden sie sich bereits nahe am Diversity Marketing. Doch wie kann man Diversität im Marketing aktiv berücksichtigen und wie lassen sich Fehler bereits im Vorfeld vermeiden? Die folgenden sechs Dos und Don’ts geben einen Überblick darüber, was man auf welche Art richtig machen kann und an welchen Stellen eine besondere Sensibilität geboten ist.
Nr. 1
Don’t: sich gar nicht mit dem Thema ‚Diversität‘ befassen
Do: Diversität als Erfolgsfaktor betrachten
Das Thema ‚Diversität‘ in einer unternehmerischen Marketing-Strategie komplett auszusparen und nicht zu thematisieren, zählt zu den folgenreichsten Fehlern mit Auswirkungen auf das Marken-Image und das Employer Branding. Denn Studien belegen, dass Diversität immer stärker von den Stakeholdern als relevantes Aktivitätsfeld wahrgenommen wird. Sobald sich Unternehmen überhaupt nicht mit Diversität beschäftigen, erreichen sie eine bestimmte, wachsende Zielgruppe auch nicht – ein fataler Wettbewerbsnachteil.
Stattdessen sollten Marketing-Abteilungen in Unternehmen und Werbeagenturen Diversität als relevanten Erfolgsfaktor betrachten. Zudem ist es wichtig, Strategien aus dem Bereich Diversity Marketing mit Planung, Struktur und zeitlichem Vorlauf zu entwickeln. Dazu muss der Ist-Status im Unternehmen abgefragt, betroffene Stakeholder innerhalb und außerhalb des Unternehmens beteiligt und die Marketing-Zielgruppe(n) in großflächigen Marktforschungen evaluiert werden.
Nr. 2
Don’t: bestimmte Zielgruppen ausschließen
Do: inklusiv denken und möglichst alle Zielgruppen ansprechen
Häufig werden bestimmte Menschen, die aus Sicht des Marketing zu den Zielgruppen zählen, in Strategien und Kampagnen (bewusst oder unbewusst) ausgeschlossen und nicht angesprochen. Dies kann bspw. passieren, wenn Frauen aufgrund einer ‚männlichen‘ Ansprache in Stellenanzeigen nicht mitgedacht werden oder junge wie alte Menschen mit Sehbehinderung keinen barrierefreien Zugang zu digitalen Inhalten wie Webseiten oder Social Media-Accounts erhalten – mit weitreichenden Folgen für den unternehmerischen Absatz: Wenn die Zielgruppe aus unserem Beispiel die Inhalte einer Werbekampagne nicht rezipieren kann, dann kann sie entsprechende Produkte und Dienstleistungen auch nicht kaufen oder sich nicht auf ausgeschriebene Stellen bewerben.
Tipps für barrierefreie Webseiten
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- übersichtlicher Aufbau
- klare, verständliche Sätze
- gut lesbare Schriftgrößen & bekannte Fonts
- Buttons optimieren
- barrierefreie Formulare
- Unterstreichung von Hyperlinks
- Einsatz starker Kontraste
- bei Videos: Untertitel
- bei Bildern: beschreibende Captions im Alt-Text, damit diese mit der Vorlesefunktion besser verstanden werden können
Tipps für barrierefreie Beiträge in den Sozialen Medien
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- klare, verständliche Sätze
- gut lesbare Schriftgrößen & bekannte Fonts
- sparsamer Einsatz von Emojis
- Hashtags mit Camel Case, z.B. #DiversityMarketingTipps statt #diversitymarketingtipps
- Unterstreichung von Hyperlinks
- Einsatz starker Kontraste
- bei Videos: Untertitel
- bei Bildern: beschreibende Captions im Alt-Text, damit diese mit der Vorlesefunktion besser verstanden werden können
Nr. 3
Don’t: fehlende Glaubwürdigkeit
Do: Authentizität durch gelebte Diversitätsstrategie
Fehlende Glaubwürdigkeit ist ein echter „Image-Killer“, insbesondere wenn der Vorwurf des Diversity Washings im Raum steht. Schnell entwickeln sich Kommentare in den Sozialen Medien zu einem Shitstorm und die Markenreputation muss mit viel Aufwand kostspielig wiederhergestellt werden. Das kann passieren, wenn Diversität ausschließlich aus der Kommunikations- und Marketingabteilung heraus gedacht wird und nicht die gesamte Unternehmenskultur widerspiegelt. Dies ist häufig bei zeitlich befristeten Kampagnen der Fall, die von den Stakeholdern schnell als unglaubwürdig identifiziert werden.
Ein Beispiel hierfür ist der europäische Fußballverband UEFA. Im Rahmen der Europameisterschaft 2021 lancierte der Verband eine Regenbogenfahnen-Kampagne zur angeblichen Stärkung der LGBTQI-Rechte – kurz nachdem die UEFA den Betreiber:innen der Münchener Allianz-Arena beim Spiel Deutschland gegen Ungarn verboten hatten, das Stadion in Regenbogenfarben leuchten zu lassen, um die Partner in Ungarn nicht zu verärgern. In den Medien und den Sozialen Netzwerken warf man der UEFA ‚Scheinheiligkeit‘ vor und rief zum Boykott der EM auf.
Glaubwürdigkeit und hohe Authentizität erreicht man im Diversity Marketing insbesondere durch das Vorhandensein einer echten und ernstgemeinten Diversitätsstrategie, die das ganze Unternehmen bzw. die gesamte Organisation umfasst. Die glaubwürdige und authentische Intention, Vielfalt im Unternehmen zu leben und Diversität nicht als Problem, sondern als positives Merkmal einer demokratischen Gesellschaft zu betrachten, dient einer Marketing-Abteilung dann als Basis, um echte Menschen in Kampagnen zu fokussieren.
Folgende Formel bietet dabei einen erfolgversprechenden Ansatz: Geschichten erzählen, die es erlauben, sich selbst im „Anderssein“ erkennen zu können.
Nr. 4
Don’t: (un)bewusste Reproduktion von Stereotypen
Do: Distanzierung von Stereotypen
Stereotypen sind vereinfachende und verallgemeinernde Vorurteile über Menschen, Dinge, Situationen und Sachverhalten. Sie helfen uns Menschen dabei, unsere Welt zu verstehen und schneller auf Gefahren reagieren zu können. Dabei sind Stereotype kulturell geprägt und können durch subjektive Erfahrungen ebenso widerlegt wie gefestigt werden.
In der Vergangenheit setzte die Werbebranche häufig Stereotype in verschiedenen Werbekampagnen ein. Denn gerade bei Werbung geht es darum, die Botschaft einer Marke möglichst schnell und ohne Widersprüche zu vermitteln. Gleichzeitig können Stereotype zu Diskriminierung ganzer Menschengruppen führen und sich damit auch negativ auf das Image eines Unternehmens auswirken, das mit ihnen wirbt.
Ein Beispiel aus dem Jahr 2016 unterstreicht dieses Problem (achtung, Triggerwarnung!):
Der chinesische Waschmittelhersteller Qiaobi hatte mit einem Video-Clip für Aufsehen gesorgt, indem ein schwarzer Mann mit dem Waschmittel in eine Waschmaschine gepackt wird und nach dem Waschgang als „gereinigter“ weißer Mann wieder aus der Waschmaschine stieg. Das Problem: Das Stereotyp einer „schmutzigen“ schwarzen Haut stammt aus der Kolonialzeit und beinhaltet das diskriminierende Vorurteil, wonach sich schwarze Menschen nicht waschen würden.
Wichtig ist es daher, sich in Diversity Marketing-Kampagnen deutlich von Stereotypen zu distanzieren und diese am besten gar nicht erst zu reproduzieren, um einen Shitstorm und einen Image-Verlust zu verhindern.
Nr. 5
Don’t: Angst vor Konfrontationen
Do: gesellschaftlich relevante Debatten aufgreifen
Eine erfolgreiche Diversity Marketing-Strategie greift relevante Debatten aus der Gesellschaft auf und stellt kontroverse Themen in den Mittelpunkt ihrer Kampagnen. Dies betrifft z.B. Fragen rund um die Anerkennung von Homosexuellen-Rechten, die gleichberechtigte Teilhabe von schwarzen Personen oder die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Dass Unternehmen mit dem Aufgreifen dieser Themen nicht überall auf offene Ohren stoßen, liegt in der Natur der Sache. Aber genau hier liegt eine Chance, sich als Unternehmen in Fragen nach Diversität und Menschenrechten glaubhaft zu positionieren und neue Zielgruppen zu erschließen.
Wie dies funktionieren kann, zeigt das Beispiel Gillette. Über viele Jahrzehnte warb das multinationale Unternehmen mit dem Slogan „The Best a Man Can Get“, wie in diesem Fernsehspot aus dem Jahr 1989.
Dabei wurden stereotype Bilder von ‚starken‘ und ‚furchtlosen‘ Männern in Kampagnen kommuniziert, die bei Gillette intern ab den 2010er Jahren als überholt und nicht mehr zeitgemäß betrachtet wurden. Im Kontext der globalen MeToo-Bewegung entschied sich die Leitungsebene im Jahr 2019, den Slogan in „The Best a Man Can Be“ zu ändern und einen damit verbundenen Video-Clip in den Sozialen Medien zu veröffentlichen.
Hier zeigte man Männer entgegen männlichkeitszentrierten Stereotypen bewusst ‚unmännlich‘, mitsamt einer verletzlichen Seite und einer sozialen Verantwortung, die Männer insbesondere gegenüber Frauen und Kindern ernstnehmen sollten.
Was folgte, war ein riesiger Shitstorm mit Kritik und massenweise Boykottaufrufen im Internet – der durchaus kalkuliert war. Die Medienwelt diskutierte wochenlang über den Clip, der weltweit Bekanntheit erlangte und den Image-Wechsel von Gillette begleitete. Denn während man sich durch das Bekenntnis zu einem aktualisierten Männlichkeitsbild gesellschaftlich positionierte und sich viele Männer aus Ärger über den Image-Wechsel von der Marke abwandten, gewann man zahlreiche neue Zielgruppen hinzu, die sich stärker mit Gillette identifizierten.
Für eine durchdachte Diversity Marketing-Strategie ist es dabei wichtig, sich auf nicht-lineare Prozesse einzulassen und sich auf unterschiedliche – positive wie negative – Resonanzen einzustellen. Die Erstellung von Leitfäden zur Reaktion auf Shitstorms und der Einsatz von geschulten Community-Manager:innen für die Moderation von Social Media-Kanälen ist besonders ratsam, um sich möglichst gut auf diese nicht-linearen Prozesse vorzubereiten.
Nr. 6
Don’t: Diversity Marketing-Strategien ohne Expert:innen entwickeln
Do: Second opinions einholen
Diversity Marketing-Strategien laufen durch die vielen kontroversen Themen Gefahr, trotz guter Intention falsch verstanden zu werden oder einen Image-Verlust zu bewirken. Deshalb ist eine externe Beratung durch Diversitätsexpert:innen ebenso wichtig wie die Einbeziehung von diversen Personen bei der Entwicklung von Strategien und der Umsetzung von Maßnahmen im Marketing. Eine solche sogenannte Second opinion, also eine zweite Fachmeinung, hätte dem deutschen Konzern Volkswagen im Jahr 2020 wohl vor einem großen Shitstorm bewahrt (achtung, Trigger-Warnung!):
In einem viralen Spot zum damals neuen Golf schnippst eine weiße Hand eine schwarze Figur in das Café Petit Colon (‚Kleiner Kolonialist‘), während die Worte „Der neue Golf“ so animiert wurden, dass kurz das rassistische N-Wort zu lesen ist. VW musste sich im Nachgang öffentlich für diesen fehlgeleiteten Marketing-Auftritt entschuldigen und in gewissen Zielgruppen einen Image-Verlust hinnehmen. Um solche Fehltritte zu vermeiden, es ist wichtig, Marketing-Strategien und -Kampagnen regelmäßig von Fachleuten überprüfen zu lassen und Menschen, die sich aufgrund ihrer eigenen Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen bei den Do’s und Don’ts gut auskennen, an der Konzeption zu beteiligen.
Fazit
Das Thema Diversity Marketing wird durch eine gewisse Ambivalenz gekennzeichnet, denn es ist komplex und einfach zugleich. Im Wesentlichen geht es bei einer gelungenen Entwicklung von Strategien und einer erfolgsversprechenden Umsetzung von Kampagnen um den ernstgemeinten Respekt vor der Vielfalt der Stakeholder. Das betrifft Kund:innen wie Mitarbeiter:innen gleichermaßen. Durch den regelmäßigen Austausch mit den Stakeholder-Gruppen können Unternehmen herausfinden, in welchem Maße Diversity Marketing beim Vertrieb und der Absatzsteigerung helfen kann. Dabei ist es wichtig, Authentizität zu vermitteln und das Unternehmen glaubhaft in gesellschaftlichen Debatten zu positionieren. Daher sollte Diversity Marketing stets am Ende eines holistischen Diversifizierungsprozesses stehen – und nicht am Anfang. Eines ist jedenfalls sicher: Unsere Arbeitswelt ist divers und wird es bleiben. Es geht nun darum, Vielfalt und Inklusion als Wettbewerbsvorteil für unternehmerischen Erfolg zu betrachten.
Sie benötigen Unterstützung bei der Entwicklung von Diversity Marketing-Strategien, benötigen eine Second opinion oder suchen nach Wegen, Ihren Betrieb mit Diversität zu einem erfolgreichen Unternehmen zu machen? Die Marketing- und Strategie-Expert:innen von D² – Denkfabrik Diversität stehen Ihnen gerne persönlich zur Verfügung.
Quellen:
(1) Strangl, W. (2021). Mere-Exposure-Effekt. Online Lexikon fü̈r Psychologie und Pädagogik. URL: Zugegriffen am 25. Oktober 2023.