Diversity Marketing – Warum es wichtig ist, alle Zielgruppen anzusprechen
Im unternehmerischen Kontext ist die Bedeutung von Diversität in den letzten Jahren weiter gestiegen. Verbraucher:innen, Mitarbeiter:innen und potentielle Bewerber:innen achten immer stärker darauf, wie sich Unternehmen und Organisationen zu Vielfalt und Inklusion positionieren. Dies betrifft einerseits die interne Kommunikation, bspw. im Hinblick auf den Umgang mit der eigenen Belegschaft. Andererseits gewinnt auch die Darstellung eines diversen Firmen-Images im Marketing zunehmend an Relevanz. So gaben rund 66 Prozent der Befragten in der House of Yas-Studie „OK Zoomer – Marketing für die Gen Z“ (2021) an (1), dass sie eher Marken kaufen würden, die in ihrer Kommunikation eine Vielfalt an Sexualität, Gender und Herkunft zeigen.
Ist Diversität also ein Vertriebsbeschleuniger? Das kommt ganz darauf an, wie glaubhaft Diversitätsansätze im Marketing vermittelt werden. Denn Stakeholder achten bei der Wahrnehmung von Brands auf Authentizität. Gut gemeinte Aktionen und Kampagnen, denen die notwendige Tiefe und Glaubhaftigkeit fehlt, können schnell verpuffen. Im schlimmsten Fall wird sogar das Gegenteil erreicht, wenn Verbraucher:innen zum Boykott aufrufen, weil sie hinter einer Marketing-Kampagne das sogenannte Diversity washing wittern. Diversity washing bezeichnet die bewusste Vermittlung eines falschen Bildes davon, wie divers oder inklusiv ein Unternehmen ist, nur um eine Verbesserung des Image zu erreichen. Das Ergebnis: Trotz guter Intention geht die Kampagne nach hinten los und entfaltet dann negative Auswirkungen auf das Marken-Image. Aus diesem Grund muss Diversität im Marketing gut durchgedacht und noch besser geplant werden.
Doch was kann man tun, um Fehler zu vermeiden und alles richtig zu machen? In diesem Blog-Beitrag zeigen wir anhand von sechs Dos and Don’ts, wie man Fettnäpfchen umgeht und ein authentisches Diversity Marketing in unternehmerische Kommunikationsstrategien integriert.
Was ist Diversity Marketing?
Der Unternehmensbereich „Marketing“ ist die wichtigste Abteilung eines Betriebs, wenn es um die strategische Außenkommunikation geht. Marketing kann also Diversität und die dahinter liegenden Wertehaltungen sichtbar machen. Das ist aktuell von besonders großer Bedeutung, denn insbesondere die jüngeren Generationen Y und Z wollen nicht nur Waren und Dienstleistungen kaufen, sondern Marken, die für bestimmte Werte eintreten und Purpose schaffen. Vor diesem Hintergrund beschreibt Diversity Marketing eine Marketing-Strategie, die verschiedene Gruppen anspricht und einbezieht. Dabei bezieht sich diese besondere Form des Marketings nicht auf eine einzelne Kampagne oder Botschaft, sondern auf die grundlegende und glaubhafte Absicht hinter den unternehmerischen Marketing-Maßnahmen. Wenn die Absicht nicht glaubhaft erscheint, also Intention und Kommunikation nicht zusammenpassen, dann spricht man von Diversity washing, Social washing oder mit speziellem Bezug auf Gender auch von Pink washing. Der methodische Zugang von Diversity Marketing bietet ein riesiges Content-Potential: Durch individualisiertes Storytelling werden individuelle Geschichten von Menschen und ihren einzigartigen Besonderheiten in der Kommunikation fokussiert. Deshalb verspricht Diversity Marketing unbeschreiblich viel Input für Marketeers, relevanten Content und damit ein uniques Positionierungspotentials.
Lesen Sie hierzu auch unseren Blog-Artikel zu dem Thema „Diversity Marketing – 6 Dos & Don’ts“.
Warum ist Diversity Marketing wichtig?
Im Wettbewerb um Fachkräfte und Konsument:innen müssen sich Unternehmen fast täglich neu erfinden und gleichzeitig nachhaltig an die Zukunft denken. Ein gut geplantes Diversity Marketing kann Betriebe aus allen Branchen dabei unterstützen, einerseits als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden und andererseits mit gezielten Maßnahmen Neukund:innen zu gewinnen. In Anbetracht des Fachkräftemangels ist Diversity Marketing ein wichtiges Tool bei der Gewinnung und Bindung von diversen Mitarbeiter:innen. Diversität im Marketing trägt somit zur Stärkung der Employer Brand bei, denn der entscheidende Faktor für ein erfolgreiches Recruiting ist der sogenannte Cultural Fit. Das bedeutet, dass Unternehmen und Bewerber:innen hinsichtlich der Unternehmenskultur zusammenpassen müssen. Potentielle Mitarbeiter:innen schauen sich das Unternehmen, bei dem sie sich bewerben, vor ihrer Bewerbung ganz genau an und prüfen, ob die vermittelten Werte zu den eigenen Ansichten passen. Ist einem Unternehmen die Beachtung und Wertschätzung von vielfältigen Hintergründen wichtig und wird dies auch im Marketing kommuniziert, dann entsteht an dieser Stelle ein bedeutender Wettbewerbsvorteil im Kampf um Talente und Fachkräfte. Auch bei der Gewinnung von Neukund:innen können sich Unternehmen durch eine Diversity Marketing-Strategie von der Konkurrenz abheben: Dabei können Zielgruppen gezielt adressiert werden, die im Rahmen der Markenkommunikation bislang noch nicht adäquat angesprochen wurden, bspw. aufgrund von Geschlecht, Alter, Ethnie, Religion oder anderen Dimensionen.
Diversität & Werbung in Deutschland seit 1945
Wirft man einen Blick auf die grundsätzliche Geschichte der Werbung in Deutschland seit 1945, dann fällt schnell auf, dass Diversität über lange Zeit eine untergeordnete Rolle spielte. Seit einigen Jahren ist hier ein Paradigmenwechsel zu beobachten, denn Werbung steht in einem ständigen Austausch mit der Gesellschaft. Marketing prägt gesellschaftliche Entwicklungen, Rollenbilder und Werte in ähnlicher Weise, wie soziale Veränderungen eine Wirkung auf Haltungen, Strategien und Maßnahmen im Marketing entfalten. Diese Wechselwirkungen werden bei einem Blick auf die drei großen Entwicklungsphasen der Werbung in Deutschland deutlich, die den gesellschaftlichen Zeitgeist der jeweiligen Periode widerspiegeln.
Phase 1 – Sicherheit und Ordnung (1945-1980): In der Nachkriegszeit waren die Menschen in Deutschland auf der Suche nach Sicherheit und Ordnung. Große Teile des ehemaligen Deutschen Reiches waren nach dem Krieg zerstört, Traumata wurden verdrängt und die unmenschlichen Kriegsverbrechen wie der Holocaust allmählich juristisch aufgearbeitet. Dieser Prozess des Wiederaufbaus war eng mit existenziellen Nöten, insbesondere bei Nahrungsmitteln, verbunden und zeigte im Verlauf der 1950er Jahre im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs, dem Wirtschaftswunder, eine deutliche Hinwendung zum Dinglichen. Sicherheit und Ordnung wurden vor allem durch den Konsum „geliefert“: Fixprodukte, Küchengeräte und der Fernseher avancierten zum Symbol eines neuen deutschen Bewusstseins, das unter den Folgen der nationalsozialistischen Gräueltaten gelitten hatte. Die Werbebranche unterstützte den Wunsch nach Sicherheit und Ordnung durch die Vermittlung stereotyper Vorstellungswelten. In der Werbung dominierte ein eindimensionales und „vollständiges“ Familienbild mit dem Mann als schwer schuftender Alleinverdiener, der Frau als ordentlicher Hausfrau und zwei Kinder, im Idealfall Junge und Mädchen. Dieses Bild wird bspw. in einem Werbefilm der Firma Dr. Oetker aus den 1950er Jahren propagiert, auch wenn die beiden Kinder an dieser Stelle nicht auftauchen:
Autoritäre Werbebilder, die männliche Regeln, Führung und Leitbilder propagierten, wurden zum Leitmotiv dieser Phase, in der Vielfalt als Störung wahrgenommen wurde. Diese Dominanz des Männlichen hängt in vielen Fällen auch mit der Tatsache zusammen, dass Zusammensetzung der Entscheidungsträger in Unternehmen und Werbeagenturen wenig divers war. In der Regel hatten weiße Männer die Budgethoheit und Entscheidungsgewalt über Kampagnen und Strategien. Mit der offensiven Anwerbung von sogenannten Gastarbeiter:innen aus dem Ausland, dem Erstarken liberaler Ideen im Zuge der 1968er-Bewegung und der Entstehung des deutschen Feminismus begann die männliche Dominanz in der Werbung allerdings langsam zu bröckeln.
Phase 2 – Wertepluralität und Hedonismus (1980-2000): Ab dem Ende der 1970er Jahre führten die Emanzipation der Frau, das Erstarken von Subkulturen (wie z.B. der Punk-Bewegung), der Sichtbarwerdung der Homosexuellen-Szene und der zunehmenden Globalisierung zu einem wahren Individualisierungshype. Nachdem die starren Werte der 1950er und 1960er immer stärkere Ablehnung erfuhren, war der Weg frei für eine individuelle Selbstentfaltung. Gleichzeitig setzte der Technologie-Boom ein, wodurch elektronische Geräte immer erschwinglicher wurden und den deutschen Markt überschwemmten. Reisen mit dem Flugzeug entwickelten sich vom elitären Privileg zur Massenware für Pauschaltourist:innen. Alles schien möglich, erschwinglich, käuflich, grenzenlos.
Das Beispiel der Fernsehwerbung für die China-Pfanne von Maggi aus dem Jahr 1988 zeigt diese Grenzenlosigkeit, während der Clip auch den unbedarften Umgang mit diskriminierenden Asien-Stereotypen in dieser Zeit repräsentiert (Achtung, Trigger-Warnung!).
Diversität wurde zwar immer bedeutender, ging allerdings in der Masse des Konsums unter. In der Werbung dominierten Markenleitbilder wie „Mach mir das Leben leicht“ und „Mach mich zu etwas Besonderem“. Konsument:innen wurden dabei allerdings weniger als ‚echte‘ Individuen betrachtet, sondern vielmehr als leicht lenkbare und manipulierbare Masse behandelt.
Phase 3 – Klarheit und Orientierung (seit 2000): Die schneller wachsendenden und global vernetzten Märkte führten ab dem Ende der 1990er Jahre zu der Herausforderung des Überangebots. Angebotsübersättigung und Reizüberflutung auf Seiten der Konsument:innen waren die unmittelbaren Konsequenzen des entgrenzten Wachstums der Vorjahre. Die daraus resultierende Komplexitätsüberforderung brachte einen Werte-Umschwung mit sich: Nachdem die Dinglichkeit den deutschen Verbrauchermarkt seit den 1950er Jahren mehrheitlich dominierte, entwickelte sich der Trend in der Werbungswirtschaft ab 2000 in Richtung einer ‚neuen Menschlichkeit‘. Der Grund: Das gesellschaftliche Bewusstsein für die ökologischen und sozialen Folgen des eigenen Handelns wuchs kontinuierlich an. Die Auswirkungen des Klimawandels, der Wunsch nach Diversität sowie das Interesse für vegetarische Ernährung, Bio-Lebensmittel oder die Produktionsbedingungen in bestimmten Branchen wie der Mode-Industrie rückten stärker in den Fokus mancher Verbraucher:innen und Mitarbeiter:innen. In der Werbung spielte der nachhaltige und ganzheitliche Blick auf die Welt, den Menschen und seine Beziehung zum sozialen System und der Natur eine immer größere Rolle. Dringende Herausforderungen wie gesellschaftliche und soziale Verantwortung, Knappheit von Ressourcen und gesellschaftliche Kontroversen werden in den letzten Jahren deshalb immer wieder von Werbetreibenden aufgegriffen. Auch beim Blick auf verantwortliche Entscheidungsträger:innen in Unternehmen und Werbeagenturen, die über Budgethoheit verfügen, ist seit dem Jahr 2000 eine Entwicklung zu beobachten: Die einst männerdominierte Branche wurde immer diverser, sei es in Bezug auf Alter, Geschlecht, ethnische oder soziale Herkunft und weitere Dimensionen.
Ein Beispiel für eine Marketing-Kampagne, die einen empathischen Blick auf Menschen warf und dabei durch Schockfotos polarisierte, sind die wiederkehrenden Kampagnen der italienischen Mode-Marke Benetton.
Ausblick
Heute wird das Thema ‚Diversität‘ noch nicht in allen Marketing-Abteilungen gelebt oder kommuniziert. Die Nachwirkungen zahlreicher islamistischer Anschläge, die kontroversen Debatten während der Flüchtlingskrise (seit 2015) und das Erstarken rechtsextremer Parteien wie der Alternative für Deutschland (AfD) haben gezeigt, dass ‚Vielfalt‘ in einigen Teilen der deutschen Gesellschaft mit Angst belegt wird. Derzeit scheint die öffentliche Meinung in Deutschland gespalten zu sein: Während sich ein Teil der Gesellschaft mehr Vielfalt, Inklusion und Teilhabe wünscht, sehnt sich ein anderer Teil nach Klarheit, Orientierung und der ‚alten‘ Ordnung. Dies führt dazu, dass Diversität im Marketing zwar grundsätzlich sichtbarer wird, in vielen Facetten jedoch immer noch tabuisiert erscheint. So gibt es heute noch immer Personengruppen, die von Werbetreibenden größtenteils ignoriert werden, obwohl sie auch Teil der Gesellschaft – und damit potenziell Teil der Zielgruppe – sind. Meist geschieht dies unbewusst, da Menschen dazu tendieren, die ihnen bekannte Umgebung zu reproduzieren. Hierdurch wird jedoch sehr viel Potential verschenkt: Denn 83% der Menschen nehmen Marketingkampagnen als positiv wahr, wenn sie die moderne Gesellschaft über die verschiedenen Gruppen hinweg abbilden.
Sie haben Fragen zu Diversity Marketing oder möchten Wegen diskutieren, um Ihre Organisation mit Diversität noch erfolgreicher zu gestalten? Die Expert:innen von D² – Denkfabrik Diversität stehen Ihnen gerne telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung.
Quellen:
(1) https://houseofyas.de/studie