Unconscious Bias – Die Gefahr der „unbewussten Vorstellungen“ für Unternehmen

Das menschliche Gehirn steckt voller (Vor-)Urteile. Und das ist in vielerlei Hinsicht auch gut so. Tag für Tag kategorisiert unser Gehirn große Mengen an Informationen, wenn wir Entscheidungen treffen müssen, beispielsweise ja/nein, grüne Ampel/rote Ampel, gefährlich/ungefährlich oder heiße Herdplatte/kalte Herdplatte. Dadurch werden wir vor Gefahren gewarnt. Ohne große Überlegung entscheidet das Gehirn, spart dadurch Energie und arbeitet extrem effizient. Durch diese Effizienz können aber auch Dinge übersehen werden, nämlich an den Stellen, an denen eigentlich keine schnellen Entscheidungen benötigt werden. Ein Beispiel sind Personalentscheidungen in Unternehmen, die meist länger geplant werden und den Verantwortlichen genügend Zeit für durchdachte Handlungen einräumen. Und trotzdem kann es schnell passieren, dass Unconscious Bias auch bei solchen strategischen Entscheidungen ausschlaggebend sind – oft zum Nachteil für das betroffene Unternehmen und das betroffene Personal. In diesem Blogbeitrag wollen wir erläutern, was Unsconscious Bias charakterisiert, was sie in der Arbeitswelt so gefährlich macht und welche Möglichkeiten es gibt, sie effektiv abzubauen.
Was sind Unconscious Biases?
So sinnvoll schnelle Entscheidungen im Alltag sein können, so gefährlich sind sie im beruflichen Kontext. Denn das Gehirn kategorisiert nicht nur Situationen, sondern auch Menschen. Diese Vorgänge werden in der Forschung Unconscious Bias genannt, also unbewusste Vorurteile, Verzerrungen und Voreingenommenheiten, durch die Menschen kategorisiert und bewertet werden. Aus diesem Grund verhalten sich Menschen verschiedenen Menschengruppen gegenüber unterschiedlich (sogenanntes: doing-differenz). Unconscious Bias können gesellschaftlich geprägt sein, wie zum Beispiel die Vorurteile, dass Frauen zu sensibel sind für Führungspositionen, Männer emotionslos und nicht emphatisch, Blondinen dumm oder Asylbewerber:innen nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland kommen. Andere Biases entstehen aber auch aus ganz konkreten persönlichen Erfahrungen.
Besonders häufige Unconscious Bias
In der Forschung sind mittlerweile ca. 175 verschiedene Arten von Unconscious Bias bekannt. Einige von ihnen kommen in beruflichen Kontexten, wie Bewerbungsgesprächen, Vertriebsmeetings oder Gehaltsverhandlungen besonders häufig zum Tragen:
- Confirmation bias: Dabei handelt es sich um Suche nach der Bestätigung der eigenen feststehenden Meinung. Bei Gesprächspartner:innen werden genau die Eigenschaften gesucht, die ihm oder ihr auf der Basis von Vorurteilen zugesprochen werden. Es findet keine objektive Bewertung der Person oder ihrer Qualitäten statt.
- Affinity bias: Führungskräfte mit Personalverantwortung stellen gerne Menschen ein, die ihnen ähnlich sind.
- Beauty bias: Attraktivität und äußere Erscheinung können mit positiven oder negativen Eigenschaften verbunden werden. Diese Eigenschaften müssen aber nicht der Realität entsprechen.
- Halo-Effekt: Menschen werden auf ein bestimmtes Merkmal reduziert. Hierunter fallen häufig Menschen mit Behinderung. Ihre Qualifikationen werden in der Konsequenz weniger gewichtet, da bei der Beurteilung der Fokus der Führungskräfte mit Personalverantwortung auf der Behinderung liegt.
Wie wirken sich Unconscious Bias auf die Arbeitswelt aus?
Erstaunlich ist: Auch wenn Führungskräfte bei Einstellungsgesprächen meist viel Zeit für ihre Entscheidung haben, werden über 80 % der finalen Entscheidungen aufgrund von Unconscious Bias getroffen. Dies führt dazu, dass bestimmte Personengruppen aufgrund von Vorurteilen übersehen werden, Potentiale ungenutzt bleiben und nicht die bestqualifizierte Person eingestellt oder befördert wird. Veranschaulichen lässt sich dies sehr gut mit den oben beschriebenen affinity bias. Führungskräften mit Personalverantwortung kommen Menschen vertraut vor, die ihnen ähneln. Dies hat den klaren Nachteil, dass eben nicht die geeignetste Person eingestellt wird, sondern die vertrauteste. Unter Umständen kann dies zum sogenannten Thomas-Kreislauf führen, auch Mini-Me-Effekt genannt. Was das bedeutet, wird bei einem Blick auf die Zusammensetzung von börsennotierten Unternehmen in Deutschland deutlich: Im Jahr 2023 waren 78,8 % der Vorstandsmitglieder in DAX40-Unternehmen männlich, (1) während im Jahr 2017 rund 76 % der Vorstände die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen und 69 % ihre Ausbildung in Westdeutschland absolviert hatten. (2) Die Bevorzugung einer bestimmten Menschengruppe wird auf der Basis unbewusster Vorurteile führt gleichzeitig zu einer mangelnden Vielfalt in Unternehmen, mit all ihren Nachteilen. Denn es ist wissenschaftlich bestätigt, dass diverse Teams effizienter und erfolgreicher Zusammenarbeiten. (3)
Fazit
Unconscious Bias verzerren die Wahrnehmung dahingehend, dass Menschen gewisse Eigenschaften zu- oder abgeschrieben werden. Hierdurch werden bestimmte Menschengruppen unbewusst bevorzugt oder benachteiligt. Für Unternehmen kann dies zur Folge haben, dass sie bei der Personalauswahl oder der Personalqualifizierung Fehler begehen, da der Fokus auf einer falschen, voreingenommenen Beurteilung des Gegenübers liegt. Das führt langfristig zu weniger geeignetem Personal, einer geringeren Vielfalt in der Belegschaft, weniger Effizienz, ungenutzten unternehmerischen Potentialen und einem Wettbewerbsnachteil. Um Unconscious Bias in unternehmerischen Prozessen zu minimieren, ist es wichtig, sich der unbewussten Vorurteile bewusst zu werden. Unconscious Bias-Trainings können dabei helfen, Vorurteile abzubauen und strategische Entscheidungen reflektiert zu treffen, vor allem im Bereich Personal.
Sie haben Fragen zu Unsconscious Bias oder zu unseren Trainingsangeboten? Die Expert:innen von D² – Denkfabrik Diversität beraten Sie gerne.
Quellen:
(1) Statista 2023: Anzahl der Frauen und Männer in den Vorständen der 40 DAX-Unternehmen von 2014-2023. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/409000/umfrage/frauen-und-maenner-in-dax-vorstaenden/, zuletzt geprüft am 26.10.2023.
(2) AllBright Stiftung 2017: Ein ewiger Thomas-Kreislauf? Wie deutsche Börsenunternehmen ihre Vorstände rekrutieren. https://www.allbright-stiftung.de/aktuelles/2019/6/17/der-neue-allbright-bericht-ein-ewiger-thomas-kreislauf-, zuletzt geprüft am 26.10.2023.
(3) McKinsey und Company 2020: Diversity wins: How inclusion matters. https://www.mckinsey.com/~/media/mckinsey/featured%20insights/diversity%20and%20inclusion/diversity%20wins%20how%20inclusion%20matters/diversity-wins-how-inclusion-matters-vf.pdf, zuletzt geprüft am 26.10.2023.